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Mirjam Bollinger

Reise im Minivan - Pro und Kontra

Gesponsert von Willi und Jrène - Meister des Savoir-vivre im Haus auf Rädern - die uns auf unserer anfänglichen Veloreise mit Schweizer Schoggi stärkten.


Pro


Flexible Routen, Fahrtzeiten und Pausen

Das kommt uns vor allem dann zugute, wenn Unerwartetes passiert. Als wir zum Beispiel so schnell wie möglich zurück an die guatemaltekische Grenze fahren müssen, um die Fahrzeugpapiere zu verlängern. Oder wenn wir - wie jeden Tag - beim Fahren plötzlich interessante Bauwerke, einsame Strände oder bunte Menschenmengen entdecken. Mal sind wir müde und brauchen einen Nachmittagsschlaf am Strassenrand. Besonders praktisch (aber ebenso dekadent - und daher Diskussionsstoff) ist das Auto beim Surfen: ist der Swell an einem Strand nicht besonders gut, können wir zum nächsten fahren; und auch wieder zurück…


Erreichen von abgelegenen Orten und spektakulären Schlafplätzen

Meines Erachtens einer der Hauptgründe für eine Reise im Van, weshalb wir die Möglichkeiten ausreizen. Zu den spektakulärsten Schlafplätzen gehören mit Sicherheit:

  • die historischen Plätze inmitten der kolonialen Stadtzentren von Valladolid und Merida

  • einsame Campingplätze und Fincas im Dschungel von Honduras, im guatemaltekischen Peten, im Nebelwald von El Salvador

  • spontane Strassenrandplätzchen, weil wir nicht mehr weiter mögen, weil sie mit fantastischer Aussicht bestechen oder weil wir eine Panne haben, entpuppen sich meist als wunderbare Begegnungsorte

  • Tankstellen, weil wir hier die liebeswertesten Angestellten kennenlernen. Immer für einen Schwatz aufgelegt, sind Securities stets um unsere Sicherheit besorgt und versorgen uns mit dem Nötigsten

  • Gewässer, zum einen, weil ein morgendliches Bad Wunder tut, zum anderen, weil sich am Wasser oft Tiere beobachten oder Früchte pflücken lassen

  • umgeben von Mayaruinen oder am Fusse von Vulkanen


Viel Platz - man kann mitnehmen, was man will

Innerhalb von acht Monaten sammelt sich so einiges an Souvenirs an. Dank Auto (und Besuch aus der Schweiz) kommt Patrick sogar in den Genuss seines eigenen Surfboards. Zwar haben wir in Brasilien das Reisen mit ÖV und Surfboard ausprobiert, mit dem eigenen Fahrzeug ist‘s allemal komfortabler. Selbst Freunde haben plötzlich Platz und mit zusätzlichem Zelt werden gemeinsame Ourdoornächte möglich - danke Annina, Gontzal und Anita!


Auf Reisen - und das eigene Zuhause dennoch immer dabei

Eine Wohlfühlkapsel und ein Rückzugsort, falls man sich mal nicht permanent Neuem aussetzen mag.


Autostöppler mitnehmen

So können auch wir der Welt etwas zurückgeben, bei aller erfahrenen Gastfreundschaft.


Abwechslungsreiches Essen für Selbstversorger

Stauraum und Kühlboxen zum Dank müssen wir nicht mehr drei Tage hintereinander Reis essen; unsere Pasta und unser Müsli werden wieder kreativer.


Eigenverantwortlich für Sauberkeit - Schmuddelbetten und Grüselküchen ade

Darüber habe vor allem ich mich gefreut, weil ich mehr unter Schmuddelhostels leide als Patrick. Besonders herausfordernd sind für mich alte Wolldecken, Bodentoiletten und Hippieküchen, die man erst aufräumen muss, um kochen zu können. Auto sei dank herrschen für einige Monate unsere eigenen Sauberkeitsstandards.


Viele hilfsbereite Menschen bei Fahrzeugpannen trotz (oder wegen) eigener Planlosigkeit

Lastwagenfahrer pumpen unsere Pneus oder überbrücken, die Polizei schleppt uns ab und versorgt uns mit dem Nötigsten als wir mehrere Tage feststecken. Jorge, der Besitzer einer Tauchschule, hilft uns beim Bettausbau und lässt uns bei sich schlafen, Fussgänger hieven das Vorderrad des Vans aus einem Strassenloch und so manche Leute offerieren uns die - in ihren Augen komfortablere - Option, anstatt im Auto in ihrem eigenen Zuhause zu übernachten.


Reisen mit eigenen Pflanzen (und Tieren - gell, Zorro, das nächste Mal kommst du mit!)

Wie im eigenen Zuhause ein Garten möglich ist, so sind es im Van immerhin Küchenkräuter oder kleine Zimmerpflanzen. Dass die Mitnahme von Kräutern über Landesgrenzen hinweg jedoch auch mühsam sein kann, davon können wir ein Lied singen (siehe Blogbeitrag vom 30. Juni 2023).


DIY - ein eigenes Zuhause als ewiges Projekt

Ein Paradies für alle Heimwerker, weil ständig (Verbesserungs-)Arbeiten anfallen; von der Innenausstattung bis zum Autolack.



Kontra


Eigenverantwortlich für Fahrzeug und Fahrzeugwartung

Hat man keine Ahnung von Autos - wie wir - kann es herausfordernd und stressig sein, Probleme zu erkennen bzw. zu vermeiden. Beispielsweise hätten wir uns den Motorschaden womöglich erspart, wenn wir frühzeitig dafür gesorgt hätten, dass das Wasser im Kühlsystem richtig zirkuliert. Jemand mit Autokenntnissen hätte wahrscheinlich auch früher bemerkt, dass unsere Batterie deswegen immer wieder leer ist, weil der Generator kaputt ist. Besitz kostet - wie wir auf dieser Reise oft feststellen müssen - nebst Geld vor allem Nerven und Zeit.


Anstrengendes Fahren

Lange Fahrten auf verkehrsreichen Strecken mit hektischen Verkehrsteilnehmern sind anstrengend. Ebenso ermüdend ist das Ausweichen von weit verbreiteten und schlecht sichtbaren Temposchwellen und Schlaglöchern. Kann man auf Nachtfahrten im Bus schlafen, zuvor noch eine Flasche Wein trinken oder mit Kater reisen, wird dies im eigenem Fahrzeug schwierig…


Temperatur und Mücken ausgeliefert sein

Darunter hat vor allem Patrick gelitten. Manchmal so sehr, dass er dem Teufelskreis von „offene Autotür - mehr Mücken - geschlossene Autotür - mehr Hitze“ nur durch den Umzug ins Zelt entkommen konnte.


Komplizierte Grenzübertritte

Für uns sind Grenzübertritte ein stetiges Überraschungspaket, wobei es keine Rolle spielt, ob wir mit oder ohne Fahrzeug reisen. Dennoch: In Zeiten von Covid - wo ein Grenzübertritt schon mühsam genug war - bedeutete ein Fahrzeug einen zusätzlichen Aufwand: Zoll, Versicherung und weil unser Auto nicht auf Patrick eingelöst war, immer die Unsicherheit, „alternative Lösungen“ für eine Einreise finden zu müssen.


Polizei und Korruption

Die mittelamerikanische Polizei ist berühmt-berüchtigt. Obwohl wir viele anständige Beamte getroffen haben, mussten auch wir schmieren. Manchmal kamen wir gänzlich davon, manchmal mit einem blauen Auge - sprich: wir konnten den Betrag klein halten - und manchmal waren wir die Betrogenen. So oder so: nervig sind solche Begegnungen immer…


„Isoliertes“ Reisen

Meines Erachtens einer der grössten Nachteile am Reisen im Van: die Wohlfühlkapsel führt unmittelbar zu weniger Austausch, vor allem mit Einheimischen. Was wir am Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln - insbesondere aber am Reisen per Anhalter - so schätzen, ist der Einblick in den Alltag der Menschen vor Ort. Und schliesslich ist dieser kulturelle Austausch einer der Hauptgründe, warum wir reisen.


Anstrengende Stadtreisen

Stadtreisen bedeuten oftmals schwierige Stell- und Parkplatzsuche und Verkehrschaos. Für Van-Reisende mit wenig Platz und ohne Toilette (wie wir) kann Schlafen in der Stadt aber auch wenig Privatsphäre und ständige Toilettensuche bedeuten; insbesondere bei einer Salmonellenvergiftung… (siehe Blogbeitrag vom 5. Juli 2023)


Sicherheit

Je mehr man besitzt, umso mehr sorgt man sich darum. Im Fall eines Vans wird man sich am ehesten über Schaden, Einbruch und Unfall sorgen. Vor Einbruch und Unfall blieben wir verschont, wenn auch nur knapp. Als wir an einem einsamen Strand in Nicaragua übernachten, bewahrt uns Anninas Geistesgegenwärtigkeit vor einem Einbruch, weil sie wach wird, als jemand versucht, die Autotür aufzumachen. Ein Sturz ins Strassenloch übersteht unser Auto unbeschadet, ebenso die Zerstörungskraft eines Hurricanes (siehe Blogbeitrag vom 9. Juli 2023).


Aufwändiger (Ver-)Kauf

Ein Autokauf im Ausland ist nicht ganz unkompliziert, weil man sich über die jeweiligen rechtlichen Bestimmungen informieren muss. Meistens kann ein Auto im Ausland nicht auf einen neuen Besitzer übertragen werden; deshalb müssen rechtliche Graubereiche ausgelotet werden. In unserem Fall bedeutete dies, auf dem Notariat einen Compraventa (Kaufvertrag) mit dem ehemaligen Besitzer zu erstellen. Dieser wird jedoch nicht in ganz Zentralamerika akzeptiert… Lösungen lassen sich meistens finden (siehe Blogbeitrag vom 9. Juli 2023), aber man muss auch hierfür Geld, Nerven und Zeit mitbringen.



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